Ferðumst innanhúss – Unsere Gedankenreise ins Herz des Nordens

Eine unterhaltsame Kurzgeschichte über die Isländer und deren Fähigkeit schwierige Lebenssituationen mit Humor und Kreativität zu überstehen.

„Góda ferd“ – Gute Reise

„Góda ferd“, dt. gute Reise, so heißt ein beliebter isländischer Song des Musikers Leif Geir Hafsteinsson. Der Ohrwurm steht gerade zu sinnbildlich für den Umgang der Isländer mit Krisen, insbesondere für den Umgang mit den aktuellen Ausgangsbeschränkungen. Der Künstler hat den Song kurzer Hand in “Ferðumst innanhúss” (Lasst uns zu Hause reisen), umgetextet und mit mehreren Künstlern neu aufgenommen.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

 

Das isländische Corona Trio

Mitgemacht haben auch das isländische „Corona Trio” aus Alma Möller (Leiterin des Gesundheitsamtes), Víðir Reynisson (Leiter des Zivilschutzes) und Þórólfur Gudnason (Chefepidemiologe). Die drei informieren täglich über den Stand der Pandemie und genießen nicht nur Autorität, sondern auch Kultstatus in Island.

Statt #stayathome wird #éghlýðivíði („Ég hlýði Víði“, dt. ich habe auf Víði gehört) getwittert und gezeigt was zuhause unternommen wird. Auch entsprechende T-Shirts werden schon verkauft. Die Erlöse gehen an die Intensivstation der Universitätsklinik.

„Das wird schon klappen“

Þetta reddast“, „das wird schon gut gehen“, steht sinnbildlich für die gelassene und humorvolle Einstellung der Isländer von denen wir so viel lernen können. Grund genug für uns bei unserer Sommerbekanntschaft Helga aus Ísafjörður einmal nachzufragen, wie sie persönlich und wie die Isländer mit den Einschränkungen und der Pandemie umgehen.

Helga ist eine deutsche Auswanderin und lebt in Ísafjörður mit wunderbarem Blick auf den Fjord. Als Tourguide, mit deutscher Muttersprache, ist sie eine sprudelnde Quelle für alles Wissenswertes rund um die Westfjorde und Island, von Pflanzen, Geologie und über die Menschen. Seitdem wir Helga im letzten Sommer in ihrem Garten treffen durften, denken wir oft an sie und haben ihr einen eigenen Artikel gewidmet. Und so wird unser Telefonat mitten in Zeiten der Corona-Ausgangsbeschränkungen zu einer „Reise“ tief in die Isländische Seele.

Helga Hausner Isafjödur

Bild: Helga Hausner

Ísafjörður –  Vibrierendes Kulturzentrum

Der kleine Ort Ísafjörður ist ein kreatives Epizentrum, die Einwohner stolz und vielleicht auch etwas störrisch. Wir würden sie als positiv verrückt bezeichnen. Viele Musiker und Künstler kommen aus dem Ort, ein Grund ist die ansässige Musikschule. Dazu versprüht Streetart ein urbanes Flair, malerisch eingerahmt von den steilen Tafelfelsen. Große Kreuzfahrtschiffe bringen weitere Touristen nach Ísafjörður. Der kleine Ort im Sommer wirkt, als würde er vibrieren.

Isafjödur berühmter Zebrastreifen

Ísafjörður “Streetart”

Ísafjörður: Isolation im Winter

Im Winter hingegen sind es die Stürme, die den Isländern hier keine Ruhe liessen. Häufige Schneestürme, meterhohe Verwehungen bedeuteten diesen Winter nicht selten, dass über Tage das Haus nicht verlassen werden konnte.

Dazu kommen kleinere Lawinenabgänge, die stunden- oder tageweise die Straßen blockieren. Zum Glück sind größere Lawinen sehr selten. Wegen starker Schneefälle im Januar wurde im Nachbarfjord dank Schneelawinenschutzwall nur ein Haus beschädigt aber fast alle Boote im Hafen versenkt. Im anderen Nachbarfjord lösten Lawinen einen kleinen Tsunami aus.Ja, die ersten drei Monate waren in diesem Jahr besonders hart in Ísafjörður.

 

Ostern Ísafjörður

Ostern in den Westfjorden, Bild Helga Hausner

Aldrei fór ég suður – ich ging nie nach Süden

Von großer Wichtigkeit im Ort ist das Osterfest. Traditionell kommen alle bei ihren Eltern ausgezogenen jungen Leute zu Besuch zu ihren Eltern und Großeltern nach Ísafjörður und Umgebung. Der ganze Ort ist voll. Auf den Hängen der ortseigenen Skipiste scheint wieder die Sonne, man trifft und man kennt sich und alle genießen diese Tage ganz besonders.

Im Jahr 2004, als es einmal wenig Schnee gab, erfanden die Isländer kurzer Hand ein eigenes Musikfestival, um in den Ski- und Osterferien mehr Freude zu haben. Trotzig wie sie hier oben sind, benannten sie das Festival in „Aldrei fór ég suður“ (ich ging nie nach Süden), womit in der Regel Reykjavik gemeint ist. Die Hauptstadt im Süden, die die jungen Leute anzieht und in der es zu Ostern schon viel wärmer ist als hier in Ísafjörður.

„Das ungewöhnlichste Festival Europas“

Aus dem Festival wurde eine feste Institution, das seit her jedes Osterwochenende stattfindet. Der „Spiegel“ nennt es eines der ungewöhnlichsten Festivals Europas. Der Eintritt in die Lagerhalle, deren Tore weit geöffnet, auch die kalten Schneeböen rein wehen lassen, ist frei. Jeder kennt hier jeden, es ist ein Sehen und Gesehenwerden und es geht darum möglichst vielen Leuten hallo zu sagen und einfach nur Spaß zu haben. Nebenbei treten zahlreiche der wichtigen Isländische Stars auf, ohne Garge versteht sich. Der Flug dorthin wird allerdings von größeren Unternehmen Islands gesponsert. Viele Musiker kommen auch aus dieser Gegend. Die Leute in Ísafjörður und Umgebung vereint der Stolz aus den Westfjorden zu kommen und den ewigen Naturgewalten gemeinsam immer wieder Stand zu halten.

Die Isländer planen nicht gerne, so bleibt die Zukunft spannend

Dieses Ostern aber ist vieles anders als zuvor. Kein Volksfest, keine Partystimmung. Immerhin, auf dem mit Wasserkraft betriebenen Skilift scheint so etwas wie Normalität zu herrschen. Doch natürlich bedroht die Pandemie auch hier den Tourismus und schafft Ungewissheit. Keine Touristen, keine Einnahmen. Und nach Wochen der wetterbedingten Isolation im Winter heißt es nun Kontaktsperre wegen Corona.

Wieder ist die isländische Kreativität und Spontanität gefragt. Die Isländer planen nicht gerne, so bleibt die Zukunft spannend, und in Zeiten von Corona kann man ja ohnehin nichts planen. Kurzerhand finden die Gigs der Bands in deren jeweiligen Wohnzimmern statt. Alles zusammengeschnitten und live gesendet im wichtigsten TV Sender Islands, wenn ihr nicht zum Festival kommt, kommt das Festival zu Euch.

Ísafjörður, unsere emotionale Heimat in Island

Ja, die Menschen hier oben sind aus einem besonderen Holz geschnitzt und inspirieren so ganz Island und auch uns. Dank unser lieben Helga, konnten wir ganz tief eintauchen in die Seele und fühlen uns in Ísafjörður schon ganz heimisch. Für uns ist klar, dass wir in Ísafjörður unser Herz verloren haben und so wird das Gespräch mit Helga zu unserer ganz persönlichen Reise nach Island im eigenen Wohnzimmer. Ferðumst innanhúss” – Lasst uns zu Hause reisen.

Ach, und was wird jetzt aus unserer Island-Reise im Herbst? „Þetta reddast“, „das wird schon klappen“. Bis bald liebe Helga!

Wir wünschen Euch weiterhin alles Gute und hoffen, dass Ihr uns weiterhin für kleine Reisen zwischen Island und Nordfriesland folgt. Bleibt gesund!

Links Ísafjörður:

Helga Hausner: Helgas Website Ísafjörður Walks ( https://isafjordurguide.is/)

Unser Artikel über Helga aus dem Sommer (https://saltylove.de/isafjoedur-helga)

Links zum Song mit englischem Untertitel (https://youtu.be/7t2IgHi3vZs)

Link zum Festival: https://www.aldrei.is/

Relevante Bands aus der Region:  Helgi Björns, Mugison, Between Mountains, Æfing

Falls Ihr Euch für die Westfjorde interessiert, ab Mitte Mai 2020 könnt Ihr die neue Ausgabe von “Zauber des Nordens” bestellen. Hauptthema werden diesmal die Westfjorde sein. Wir durften auch zwei Artikel beisteuern. Schaut doch mal auf der Website vom Zauber des Nordens vorbei.

Ferðumst innanhúss

Þetta reddast: Das passt schon

Isafjödur - Ferðumst innanhúss

Isafjödur Charme Ferðumst innanhúss